Greenwashing im Grüngürtel?

Der FC will „spürbar grüner“ werden. Ein Kommentar zur neuen Nachhaltigkeitsoffensive

Imageproblem

Ein „grünes“ Image wird für Unternehmen immer wichtiger, geraten sie doch zunehmend unter Druck, ihr Handeln zu legitimieren. Dabei müssen sie sich daran messen lassen, wie ökologisch und sozialverträglich sie agieren. Hier hat der Profifußball, der gerne seine gesellschaftliche Relevanz und Verantwortung betont, aber noch erheblichen Nachholbedarf und bisher ein Imageproblem.

In Zeiten der Pandemie wurde einmal mehr deutlich, dass viele Bundesligaklubs weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig wirtschaften. Einerseits erzeugt die Bundesliga einen riesigen ökologischen Fußabdruck. Andererseits sahen sich im Frühjahr viele Vereine trotz steigender Gewinne von einer unmittelbaren Insolvenz bedroht, als plötzlich die Einnahmen aus den TV-Rechten infrage standen.

Erster Bundesligaverein mit Zertifikat

Nach der Kommunalwahl in NRW, bei der Klima- und Umweltthemen eine zentrale Rolle gespielt haben, präsentierte der 1. FC Köln zeitnah seine neue Nachhaltigkeitsoffensive und ein Zertifikat des Zentrums für nachhaltige Unternehmensführung (ZNU), ein wirtschaftswissenschaftliches Projekt der Universität Witten. Als erster Bundesligaverein hat sich der 1. FC Köln als „ganzheitlich wirtschaftlich nachhaltig“ zertifizieren lassen. Mit großem Pathos verkündete FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle: „Wir wollen soziales und ökologisches Bewusstsein ins Herz der Kölnerinnen und Kölner bringen“. Und im Hinblick auf die geplante Einrichtung von FC-Tafeln in Kölner Vierteln: „Wir wollen keinen Hunger mehr in Köln.“

In dieses Projekt hat der FC nach eigenen Angaben zunächst eine „fünfstellige“ Summe investiert, präziser wurde er nicht. Zum Vergleich: In der Zweitliga-Saison 2018/19 erzielte der FC einen Jahresumsatz von 114,6 Millionen Euro und einen Gewinn vor Steuern von 2,4 Millionen Euro.

Um das Zertifikat zu erhalten, musste der FC in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt 44 Kriterien erfüllen. Als Beispiele werden da eine neue Flotte an Elektro- und Hybridautos – auch für die FC-Profis, ein Trikot aus recyceltem Polyester sowie sichere Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern und Partnern aufgeführt.

Teilnahme am Programm ÖKOPROFIT

In Kooperation mit der Stadt Köln nimmt der FC bereits am Programm ÖKOPROFIT (Ökologisches Projekt Für Integrierte Umwelt-Technik) teil. Der Maßnahmenkatalog umfasst u.a.: „Einsatz von LED-Leuchtmittel, Einbau von Bewegungsmeldern, Reduktion der Wasserdurchflussmengen in den Duschbereichen, Einführung einer Wertstofftrennung in den Büros, Entwicklung eines Wertstoffbehältersystems zur Reduktion der Restabfallmengen und Erhöhung des Wertstoffaufkommens.“

Greenwashing

Das alles sind lobenswerte und sinnvolle Maßnahmen, von denen die meisten aber längst in jedem Haushalt selbstverständlich geworden sein sollten. Und war da nicht noch eine ganz andere Baustelle? Wie sieht es mit den massiven Ausbauplänen im Kölner Grüngürtel aus? Hat da beim FC inzwischen ein Bewusstseinswandel oder Umdenken stattgefunden? Die Antwort lautet leider ganz klar: NEIN! Da liegt der Verdacht des Greenwashing nahe, der Unternehmen unterstellt, Nachhaltigkeit lediglich als Imagekampagne und Marketingstrategie zu verfolgen. Mit der Überbetonung von weniger wichtigen, nicht im Vordergrund stehenden Themen soll von eigentlichen Problemen abgelenkt werden. Ein Vorwurf, dem sich der FC natürlich nicht ausgesetzt sehen will.

Um Greenwashing zu definieren, hat Greenpeace vier Kriterien aufgestellt:

  1. Umweltbelastendes Kerngeschäft
    (wird hinter grünen Maßnahmen getarnt)
  2. Mehr Werbung als Umweltschutz
    (Unternehmen investieren mehr in Werbung als in Umweltschutz)
  3. Grüne Lobbyarbeit
    (Unternehmen stellen sich grün dar und betreiben gleichzeitig Lobbyarbeit, um den Umweltschutz zu umgehen)
  4. Werben mit Selbstverständlichkeiten
    (Unternehmen werben mit etwas, was selbstverständlich ist)

Eigentliche Umweltprobleme

In der Praxis ist die Bundesliga, und damit auch der 1. FC Köln, aber von Nachhaltigkeit noch immer weit entfernt. Dies zeigt sich anhand von vielen Beispielen: „Treibhausgase, riesiger Strombedarf, enormer Wasserverbrauch – für die Umwelt ist ein Bundesliga-Spieltag mit 390.000 Fans eine große Belastung. (…) Rund 390.000 Zuschauer stoßen an einem Bundesliga-Spieltag durch ihre Reisewege so viele Treibhausgase aus wie eine Kleinstadt im ganzen Jahr. 30 Millionen Liter Wasser werden in den Stadien jährlich verbraucht. Eine einzige Rasenheizung verbrennt im Winter pro Tag so viel Heizöl wie ein Einfamilienhaus pro Jahr.“ [siehe Deutschlandfunk Kultur]

Kunstrasen, inzwischen Standard auf Trainingsplätzen, gilt laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts als wesentlicher Verursacher von Mikroplastik in Deutschland. Nach einer durchschnittlichen Lebensdauer von ca. 8-10 Jahren ist er in der Regel Sondermüll und steht darüber hinaus im Verdacht, für die Spieler gesundheitliche Risiken zu bergen.
Flutlichtanlagen verursachen im weiteren Umkreis unerwünschte Lichtimmissionen und tragen damit zur steigenden Lichtverschmutzung bei. Verstärkt werden die negativen Folgen für Mensch und Natur noch durch den Einsatz energiesparender LED-Technik, die eine erhöhte Lichtintensität sowie einen erhöhten Blauanteil im Lichtspektrum zur Folge hat.

Und in den Fußballstadien sammelten sich nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch bis vor kurzem riesige Müllberge von Einweg-Plastikbechern an: „Den mit Abstand größten Müllberg von mehr als eineinhalb Millionen Plastikbechern verursachte Borussia Dortmund. Allein die vier Vereine Borussia Dortmund, Schalke 04, Hamburger SV und der FC Köln sind für die Hälfte aller verbrauchten Plastikbecher in der ersten und zweiten Liga verantwortlich (Saison 2018/19).“ Immerhin in diesem Punkt gibt es eine Verbesserung: Seit der Saison 2019/20 setzen die meisten Bundesligaklubs, darunter auch der FC, auf Mehrwegbecher.

Fazit

Wie gerne würde man doch den Versprechungen des FC glauben, die Bundesliga „spürbar grüner“ machen und damit ein Zeichen setzen zu wollen. Solange der FC aber weiterhin hartnäckig Lobbyarbeit für Kunstrasen, Flutlicht und einen Bauklotz im geschützten Kölner Grüngürtel betreibt, muss sich der Verein den Vorwurf des Greenwashing gefallen lassen.

Was übrigens auch für den FC-Hauptsponsor REWE gilt, dessen Vorstandsvorsitzender Lionel Souque gleichzeitig Vorsitzender des FC-Beirates ist. Während das Unternehmen an seiner Zentrale in Hürth-Efferen einen schmalen Grünstreifen am Straßenrand mit einem bunten Plakat als „100 m Wildblumenwiese“ bewirbt, unterstützt es nur wenige Meter weiter die Zerstörung von 35.600 qm Gleueler Wiese! Statt in nachhaltiges Handeln wird lieber in „grünes“ Image investiert…

100m Wildblumenwiese... Greenwashing?
REWE West Lager in Hürth-Efferen (c) BI Grüngürtel für alle